Schulentwicklung im Nebel


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Es ist schon einigermaßen erstaunlich: Da steht fest, daß in jedem Schülerjahrgang bis 2003/04 ca. 10000 Schülerinnen und Schüler mehr zu unterrichten sein werden und daß das Land finanzielle Engpässe sieht, alle benötigten zusätzlichen Lehrerstellen zu schaffen, da nach herrschender Lesart die Steuer- und Abgabenlast nicht mehr erhöht werden soll. Dennoch haben jetzt vor der Landtagswahl am 24. März die befragten, im Landtag vertretenen Parteien öffentlich zugesagt, an den drei bisher so definierten Variablen der Unterrichtsversorgung, nämlich Klassen- und Kursmeßzahlen, Unterrichtspflichtstunden der Schüler und Unterrichtsverpflichtung der Lehrer nichts zu ändern. Einig sind sich alle Parteien auch in dem Willen, die freiwerdenden Stellen wie bisher wiederzubesetzen.

Die Untertöne zeigen allerdings noch gewisse Unterschiede.

So möchte die CDU die Neueinstellungen am Bedarf und an den finanziellen Möglichkeiten ausrichten. Was das allerdings genau heißen soll, bleibt im Nebel.

Die SPD sieht für die kommenden zwei Jahre jeweils 200 Neueinstellungen vor. Die Zahlen zeigen aber einen jährlichen Bedarf von mindestens doppelt soviel Neueinstellungen. Es bleibt ein Geheimnis, wie die Deckungslücke geschlossen werden soll. Flexibilität lautet das Zauberwort. Was sich dahinter verbergen könnte, deutet sich mit dem Vorschlag an, daß Lehrer zu freiwilliger (?) Mehrarbeit auf Zeit bereit sein sollten, die dann später abgefeiert werden könnte.

Die FDP will zwar weitere Einstellungsmöglichkeiten für junge Lehrer, bleibt aber konkrete Hinweise schuldig. Konkreter ist da schon der Plan, Kräfte aus der Schulverwaltung stärker in den Unterricht einzubeziehen. Ob damit der Abbau der Schulaufsicht in den Bezirksregierungen gemeint ist?

Die GRÜNEN wollen schon für 1996 600 zusätzliche Stellen. Die Finanzierung soll durch Umschichtung aus anderen Ressorts erfolgen, was immer das dann heißen kann.

So stehe ich als Sozialkundelehrer, der das Thema Landtagswahl pflichtschuldigst nicht aussparen darf, vor der Frage, welche Lernziele sich angesichts dieser Sachlage eigentlich ergeben sollen: – Wie steht es mit der Ureinsicht in dieses Thema, Wahlen böten die Chance einer Auswahl?

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Wird nicht die Stammtischweisheit des politikerverdrossenen Bürgers bestätigt, Wahlkampfaussagen seien nur eine Plattform. Diese Einsicht entspricht der amerikanischen Einschätzung, nach der Plattform (als der offene Teil eines Eisenbahnwagens seliger Westernzeiten) das Aufspringen (vor der Wahl) und Abspringen (nach der Wahl) jederzeit zulässt; frei nach dem Motto: Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?

Bestätigt sich vielleicht auch die ebenfalls recht unerfreuliche Einsicht, vor Wahlen würden unbequeme Ansichten oder Aussichten für den Wähler um fast jeden Preis geschönt, da dieser unbequemen Wahrheiten die Abstrafung des Unheilsboten auf dem Wahlzettel folgen läßt? – Oder bestätigt sich die Einsicht vieler Wahlkampfplaner, komplizierte Wahrheiten ließen sich nicht verkaufen, so daß man es besser bei einfachen Slogans läßt? Politik als Ware?

Nach den Wahlen (und damit bei Erscheinen des Jahrbuchs) kennen wir zwar die Ergebnisse. Aber welche Wahl der mündige Bürger wirklich getroffen hat, wird sich nicht nur in dieser Frage der Schulentwicklung erst zeigen, wenn sich die Nebel lichten.

E. Blohm

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