Wenn sich die Nebel lichten


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Mit diesem Nebensatz endete meine Betrachtung zur bevorstehenden Landtagswahl im letzten Jahrbuch. Der ahnungsvolle Pessimismus war allerdings noch zu optimistisch. Denn bereits im Herbst lieferte ein von der Landesregierung bestelltes Gutachten die Rechtfertigung für die nächste Runde von Maßnahmen im Schulbereich, die am 4.2.1997 unter der charmanten Abkürzung KOSI 2010 dem resignierten oder verärgerten Schulpublikum vorgestellt wurde. Anders als es dem von Werbesprache verwöhnten Verbraucher lämmchenweich suggeriert wird, sagt das Konzept zur Sicherung der Unterrichtsversorgung bis zum Jahre 2010 knallhart, daß Solidarität der neuen Lesart heißt, daß mehr Schüler der kommenden zehn Jahre vor allem ein Problem der Lehrer sein werden.

Auf einer Personalversammlung am 28.Februar 1997 haben die Lehrerinnen und Lehrer dem widersprochen und sich an ihren obersten Dienstherrn gewendet:

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Resolution der Personalversammlung des Westerwald-Gymnasiums Altenkirchen

Sehr geehrter Herr Minister,

die Kolleginnen und Kollegen unserer Schule wenden sich entschieden gegen die Pläne Ihres Ministeriums und der Landesregierung, allein auf dem Rücken der Lehrkräfte 3500 von benötigten 4000 Stellen in den kommenden Jahren "kostenneutral erwirtschaften" zu wollen, um den Anstieg der Zahl der Schülerinnen und Schüler auffangen zu können.

Zusätzliche Schülerinnen und Schüler bedingen nach unserem pädagogischen Verständnis zusätzliche Lehrerstellen und erfordern die Einstellung junger Kolleginnen und Kollegen. Schon die 1991 verkürzte Stundentafel und vor allem das "Maßnahmenpaket" des Jahres 1993 führten zu einer verstärkten Arbeitsbelastung durch Arbeitsverdichtung und Deputatsstunden-Erhöhung.

Nur dank des besonderen Engagements unseres Kollegiums über die reine Unterrichtsarbeit hinaus konnte die weitere pädagogische Arbeit mit Schülerinnen und Schülern ohne Abstriche erhalten bleiben.

Als Sie mit der – arbeitsmarktpolitisch fragwürdigen – Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche im Öffentlichen Dienst die Erhöhung der übrigen Deputate der Lehrerinnen und Lehrer ankündigten, versprachen Sie die Anrechnung der im Gymnasium schon erfolgten Vorleistung.

Wir erinnern Sie an diese Zusage.

Ihre Planungen mit einem Deputat von 24,5 Wochenstunden zeigen uns, daß Zusagen offenbar über den Tag hinaus nichts wert sein sollen.

Die Alternative, den Kolleginnen und Kollegen in den Fächern Bildende Kunst, Musik und Sport in den Klassen 5 bis 9 statt dessen anteilig auf der Basis von 27 Wochenstunden die Unterrichtsverpflichtung zu erhöhen, lehnen wir als Spaltungsversuch ab, der überdies die Realitäten an den Schulen verkennt.

Wir warnen nachdrücklich davor, durch weitere Einschnitte an den Schulen die Motivation und Gesundheit der engagierten Kolleginnen und Kollegen weiter zu untergraben, indem ihnen nochmals zusätzliche Lasten aufgebürdet werden.

Es ist absehbar, daß Ihr "Konzept zur Unterrichtsversorgung" d.h.

nochmalige Deputatserhöhung,

ein Hinausschieben der Altersermäßigung,

ein verpflichtendes Arbeitszeitkonto und

weitere Maßnahmen zur Arbeitsverdichtung

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zu einer nachhaltigen Verschlechterung der Unterrichtsarbeit, zum Abbau außerunterrichtlichen Engagements und zu vermehrtem Unterrichtsausfall durch Krankheit führen werden. Wir erinnern Sie als unseren obersten Dienstherrn an Ihre Fürsorgepflicht gegenüber den Kolleginnen und Kollegen.

Mit freundlichen Grüßen im Namen der Personalversammlung

Die Antwort erfolgte am 10.3.97. Sie stellte eine Erweiterung eines Antwortschreibens an den Bezirkspersonalrat Koblenz vom 25.2.97 dar, im Zeitalter des Schreibcomputers die gängige Lösung. Während das Basisschreiben das Konzept noch einmal erläuterte, ging der Minister auf unser spezielleres Gymnasialproblem der Sonderbehandlung der Lehrkräfte für Sport, Musik und Bildende Kunst ausführlich ein: "Mit ihr ist – und darauf lege ich außerordentlichen Wert – keinerlei Geringschätzung der Arbeit verbunden, die Sie in Ihrem Fach leisten." Auf die weitere Zitierung der Aussagen zu diesem Thema kann verzichtet werden, da am 26.4.97 die Rhein-Zeitung berichtete diese Lösung sei zu Gunsten einer allgemeinen Deputatserhöhung für alle Lehrkräfte am Gymnasium um eine halbe Unterrichtswochenstunde wieder vom Tisch. Inzwischen ist noch weiter präzisiert worden: Der Unterricht in den Arbeitsgemeinschaften soll die Deputatserhöhung "erwirtschaften".

Weitere konkrete Punkte unserer Resolution, vor allem des letzten Absatzes, wurden nicht gewürdigt. Dennoch zitiere ich den Schlußabsatz des Basisschreibens, der sich unverändert wiederfindet:

"Ich bitte Sie zu würdigen, daß es sich hier um eine langfristige Gesamtkonzeption handelt, die versucht, drei unterschiedliche Ziele gleichzeitig zu verwirklichen, die Sicherung der Unterrichtsversorgung, die Fortentwicklung des Schulsystems und die Gewährleistung eines ausreichenden Einstellungskorridors für die jungen Lehrerinnen und Lehrer. Dies zu erreichen wird nur in einer gemeinsamen Anstrengung aller Beteiligten möglich sein, der Lehrerinnen und Lehrer, der Schülerinnen und Schüler und der Bürgerinnen und Bürger, als Eltern wie auch als Steuerzahler. Ich nehme Ihre Kritikpunkte ernst, muss Sie aber um Verständnis bitten, dass wir die genannten, für die Zukunft unserer Kinder so wichtigen Ziele nur erreichen können, wenn alle mit anpacken und auch bereit sind, in einem vertretbaren Maße zusätzliche Belastungen auf sich zu nehmen."

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Unerwähnt blieben die Belastungen, die sich aus der Verlegung des Abiturs ergeben werden, weil die Lehrer der 13 dann ab 1.Februar anderen Unterricht übernehmen und das Abitur dann mit links nebenbei abwickeln.

Für die Kollegen bis zum 51. Lebensjahr gibt es eine weitere Unterrichtswochenstunde als Ansparstunde d.h. daß sie nicht bezahlt wird, sondern in späteren Jahren zurückgehender Schülerzahlen abgefeiert werden soll.

Die Erfahrungen mit einem Verzicht auf Gehaltszuwachs bei Senkung der Unterrichtsverpflichtung, die wir bereits hinter uns haben, weil die Absenkung der Unterrichtsverflichtung inzwischen wieder kassiert wurde, lassen uns skeptisch in die Zukunft blicken, ob nicht auch diese Vorleistung sich einmal als einseitig erbracht erweisen wird.

Leider wird sich die ab 1.Juli 97 zu erwartende Dienstrechtsreform für die meisten unter 53 Jahren als mittelfristige Gehaltsabsenkung erweisen, weil Rückstufungen vorgenommen werden, die zwar zunächst keinen finanziellen Verlust bedeuten, dann aber mit den späteren Erhöhungen verrechnet werden.

Wenn auch der ministeriellen Antwort ebenfalls nicht zu entnehmen, ist eine weitere Veränderung für die Lehrer ab dem 63.Lebensjahr geplant. Sie erhalten eine Altersermäßigung von bisher nicht gekannten drei Unterrichtswochenstunden. (Allerdings kann das bei uns derzeit noch keine Lehrkraft in Ansprach nehmen.) Dazu muß man wissen, daß die Antragsgrenze für den Einstieg ins Pensionärsdasein von 62 auf 63 Jahre erhöht wurde; sie wird sich in den nächsten 10 Jahren auf 65 Jahre erhöhen. Leider wird diese Privilegierung zukünftig mit einer Kürzung der Altersermäßigung ab dem 55.bis 59. Lebensjahr finanziert. (Solidarisch schultern diese Last bei uns schon mehrere, bald sogar die Mehrheit.)

Ehrlich, es ist ein schönes Gefühl, nicht nur die Kinder der ersten Schüler unterrichten zu dürfen, sondern auch noch die Enkel!!

Ob unter diesen Voraussetzungen die Hoffnungen des Dienstherrn auf eine Fortentwicklung des Schulsystems für die Zukunft unserer Enkel in Erfüllung gehen, bleibt abermals im Nebel. Also: Fortsetzung folgt.

Dr. E. Blohm

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