Aufführung einer Brecht Revue


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„Denn das Messer sieht man nicht…“

Ich schlug den Schauspielern vor, Szenen aus Stücken von Brecht zu spielen, verbunden mit Musik, Bildern und Licht. Eine Art Brecht-Revue. Sie waren einverstanden.

Warum gerade Brecht spielen?

Vor 1960 in der Zeit des Kalten Krieges wurde Brecht auf westdeutschen Bühnen politisch kaltgestellt. Es gab nach dem Mauerbau direkte Aufforderungen zum Boykott seiner Stücke. Der Frankfurter Intendant Harry Buckwitz galt als mutig, weil er Brecht immer wieder inszenierte.

Nach 1970 schwappte eine Brecht-Welle in die Theater in Folge der „68-Bewegung“. Die jungen Lehrer lasen utopie- und revolutionsbegeistert mit ihren Schülern „Der gute Mensch von Sezuan“, „Galileo Galilei“ und „Puntila“. In den 80er und 90er Jahren war Brecht erledigt. Er galt als langweilig und verstaubt. Spaß- und Aktion-Theater war gefragt in Konkurrenz zum explosiv ausufernden PrivatTV. Wir sahen bunt aufgepeppte, sehr vergnügliche Klassiker oder schockierendes Psycho-Drama als Abstieg in die finsteren Keller unserer persönlichen Geschichte, wenn es nicht gleich gar das Musical war mit eigens gebautem Performance-Palast.

Ich meine, es ist heute, angesichts der ökonomischen Verhältnisse, hohe Zeit für ein echtes poltisches Theater, das zum Gebrauch der Vernunft herausfordert. Wer hat ein solches Theater überzeugender gemacht und genauer durchdacht als der Stückeschreiber Bertolt Brecht?

Wie Brecht spielen?

Wir haben aus der neuen Dramaturgie der 80er Jahre gelernt, respektloser, spielerischer mit den Klassikern umzugehen. Wir müssen – auch im Schultheater – nicht mehr ehrfurchterstarrt vor dem Text stehen und ihn wortgetreu interpretieren. In unserer Revue drehen wir ein Kaleidoskop von Szenen, lassen Brecht dazwischen selbst auftreten, verändern wenn nötig die Stücktexte, akzentuieren das Geschehen mit Musik, Geräuschen, Bildern, Licht. Als Mitarbeiter für diese Idee konnte ich meine Kollegen Klaus Recke und Michael Schumacher gewinnen.

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Michael Schumacher entwarf ein Bühnenbild (und stellte auch blitzschnell ein maßstabgerechtes Modell her). Bekanntlich ist die Aula-Bühne schwer zu bespielen, der Bühnenboden ist zu hoch für die ebenerdig sitzenden Zuschauer. Sein Bühnenbild versucht, diese Nachteile in Vorteile zu verwandeln. VerschiedeneSpielorte werden hergestellt, Projektionsflächen für Dias geschaffen, ein Laufsteg ins Publikum gebaut. Klaus Recke zeichnet für alles verantwortlich, was mit Musik und Ton zu tun hat. Er fühlte sich sehr fein in die Idee und die Texte der Revue ein. Wir waren allerdings auch schon aufeinander eingespielt durch die Zusammenarbeit an den „Physikern“ und der „Yvonne, die Burgunderprinzessin“. Es kostete uns eine Flasche Rotwein und vier Stunden intensiven Hörens, um das musikalische Konzept aufgrund seiner Vorschläge zu entwerfen. Dann erst begann allerdings seine zeitraubende Arbeit, das Band für die Aufführung zu erstellen. Ganz abgesehen davon studierte er die Gesangsnummern ein. Selbstverständlich leitete er auch die Technik der Aufführung zusammen mit Florian Henn. (Wir wissen ja, was K. Reckes technische Organisation für das Varieté bedeutet, hier beim Theater ist es nicht anders.)

Verantwortlich für das Licht war Florian Henn, der interessiert und zuverlässig arbeitete.

Unser Kollege Helmut Sieben war sofort bereit, das Plakat und das Programmheft zu gestalten (zusammen mit Sarah Hollmann). Seine Ideen überzeugten mich von Anfang an.

Wer hat Brecht gespielt?

Regie: Carl Gneist

Hellen Kehl: Bertolt B.; Die jüdische Frau

Steffen Margenfeld: Der Spitzel; Puntila

Benjamin Hamdorf: Mackie Messer; Der Spitzel; Arturo Ui; Galileo Galilei

Valentin Boor: Arturo Ui; Galileo Galilei

Franziska Klein: Der Spitzel; Puntila

Kirsten Seelbach: Dreigroschenoper; Puntila

Dennis Schikorra: Dreigroschenoper; Typ Ost

Sarah Hollmann: Dreigroschenoper; Puntila; Gedichte

Angela Petri: Dreigroschenoper; Puntila; Gedichte

J. W.: Die jüdische Frau; Arbeiter

Sabine Weber: Dreigroschenoper; Gedichte

Florian Wohlfart: Reporter; Typ West

Tobias Metzger: Arturo Ui

Thorsten Erdnüß: Arturo Ui

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Die kollegiale Zusammenarbeit bei dieser „Brecht-Revue“ hatte nach meiner Ansicht Modelcharakter dafür, wie in Zukunft an unserem Gymnasium das Theater so zu etablieren ist, daß einmal im Jahr eine große Aufführung an die Öffentlichkeit gebracht werden kann.

C. Gneist

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